Beitrag von Julia Russau, Februar 26, 2014
Hochsensibilität – 8 Tipps für Hochsensible
Hochsensibilität – Gabe oder Fluch? Für viele Hochsensible sind ihre überdurchschnittlich guten emotionalen, sensorischen und sozialen Fähigkeiten zugleich eine Gabe und ein Fluch. Wie so oft im Leben, ist es leider meist der Fluch, der einen daran erinnert, dass es Zeit ist, Veränderungen vorzunehmen oder notwendige Bremsen zu ziehen.
Viele Hochsensible denken, sie müssten ihre Hochsensibilität an das Leben anpassen (z.B. indem sie lernen, ihre Emotionen zu unterdrücken oder Wahrnehmungen zu verschweigen). Es sollte jedoch andersherum sein: Hochsensible müssen lernen, ihr Leben – so gut es geht – an ihre Hochsensibilität anzupassen. Auch wenn dies zunächst bedeuten kann, unliebsame oder ungewohnte Veränderungen vorzunehmen. Nur so werden sie langfristig in der Lage sein, ihre besonderen sensiblen Persönlichkeitsmerkmale zu entfalten und diese sinnstiftend in ihr Leben einzubinden.
Acht Tipps für Hochsensible
Tipp 1: Schaffen sie sich Rückzugsmöglichkeiten, in denen sie ihren Hobbys nachgehen oder einfach nur ein gutes Buch lesen können! Viele Hochsensible brauchen ausreichend Zeit mit sich alleine, um ihre Akkus wieder aufzuladen. Gerade nach stressreichen oder aufregenden Situationen, ist es wichtig, zur Ruhe zu kommen und die vielen Reize des Alltags zu verarbeiten.
Haben sie Verpflichtungen, die sie vom Alleinsein abhalten? Vereinbaren sie feste Zeiten, in denen sie sich für eine Weile zurückziehen und ungestört sein können. Nutzen sie freie Termine oder die Mittagspause und machen sie z.B. einen Spaziergang an der frischen Luft. Wenn sie neue Energie tanken, wird sich das positiv auf sie selbst auswirken – und damit auch auf die Menschen in ihrem Umfeld.
Tipp 2: Versuchen sie nicht, die Gesellschaft zu ändern! Viele Hochsensible leiden darunter, dass Werte, die ihnen hoch und heilig sind, von anderen Menschen nicht in demselben Maß beachtet werden (z.B. Gerechtigkeitssinn, Vertrauen, Prinzipientreue). Sie verbrauchen Unmengen an Energie, wenn sie versuchen, andere Menschen oder das System zu ändern, und laufen Gefahr, an dieser Sisyphos-Aufgabe zu scheitern.
Akzeptieren sie, dass sie nicht alles und jeden »bekehren« können. Konzentrieren sie sich auf einige Dinge, bei denen sie eine realistische Chance haben, etwas Gutes zu bewirken. Und nutzen sie den anderen Teil ihrer Energie, um für sich selbst etwas Gutes zu tun.
Tipp 3: Leben sie an einem Ort, der möglichst ruhig und erholsam ist! Natürlich hat nicht jeder Hochsensible die Möglichkeit, auf dem schönen Land zu leben oder in einer verkehrsberuhigten Großstadtwohnung. Versuchen sie, die Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, optimal zu nutzen, um sich ein angenehmes Heim zu schaffen.
Suchen sie eine neue Wohnung? Gehen sie ruhig pragmatisch vor und erstellen sie eine Pro- und Kontra-Liste: Eine Leben auf dem ruhigen Land klingt verlockend – aber gehören sie zu den Hochsensiblen, denen Autofahren ein absoluter Graus ist? Dann wird ihnen das Landleben vielleicht weniger Freude bereiten.
Und auch wenn sie nicht gleich umziehen: Gestalten sie ihre Wohnung so, dass sie sich wohl und »angekommen« fühlen, sobald sie durch die Tür treten. Nutzen sie beruhigende Farben, Formen und Düfte oder richten sie ihren Wohnraum z.B. nach den Regeln des Feng Shui ein. Nutzen sie so oft es geht die Naherholungsgebiete in ihrer Wohnumgebung, um die alltäglichen Reize zu mildern: Parks, Schwimmhallen, Wälder… Die meisten Hochsensiblen lieben es, in der Natur zu sein. Sie schwören auf ausgedehnte Spaziergänge oder Gartenarbeit.
Tipp 4: Vermeiden sie eine Reizüberflutung durch (neue) Medien! Das heißt nicht, dass sie gänzlich auf Medien verzichten sollen. Gebrauchen sie Medien in Maßen, statt in Massen. Überlegen sie, in welchen Situationen sie auf Medien zurückgreifen – und überlegen sie dann, ob sie stattdessen auch etwas anderes tun könnten.
Lernen sie zum Beispiel, das Smartphone in der Tasche zu lassen, wenn sie im Bus oder in der Bahn sitzen. Lesen sie ein Buch, anstatt abends fernzusehen. Planen sie Zeiten oder Situationen ein, in denen sie bewusst auf Medien verzichten (selbst wenn andere diese Entscheidung vielleicht nicht verstehen und sie umstimmen wollen). Auch »Normal«sensible können unter einem Zuviel an Informationen und einer permanenten Erreichbarkeit leiden. Hochsensible müssen umso mehr darauf achten, Medien bewusst einzusetzen – und auch bewusst auszuschalten. Haben sie ein Kind, das hochsensibel ist? Bringen sie ihm schon früh einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien bei.
Tipp 5: Trennen sie sich von Dingen, Aufgaben und Personen, die ihnen unnötig Energie rauben! Verbringen sie ihre Zeit mit Menschen oder Situationen, in denen sie sich permanent unwohl fühlen? Und setzten sie sich diesen Situationen trotzdem immer wieder aus? Auch wenn es schwer fällt: Manchmal kommt man an einen Punkt, an dem es besser ist, loszulassen. Überlegen sie, wie ihr Leben ohne diese Energieräuber verlaufen würde und lernen sie »Nein« zu sagen. Sollten sie sich nicht trennen mögen oder können: Überlegen sie, ob sie die Zeiten, in denen ihnen unnötig Energie verloren geht, reduzieren können. Und eigenen sie sich Strategien an, durch die sie ihre Energiereserven und ihre Widerstandsfähigkeit stärken (z.B. Yoga, Sport).
Tipp 6: Trennen sie Ordnung von Chaos! Viele Hochsensible leben nach dem Motto: Ordnung ist das halbe Leben. Sie legen viel Wert darauf, dass die Dinge des Alltags geplant, durchdacht und vorhersehbar sind und sie meiden – wenn möglich – Überraschungen, Durcheinander und Chaos. Gleichzeitig brauchen Hochsensible immer wieder Raum, in dem sie sich – auch spontan – ausleben und austoben können.
Für viele Hochsensible hat es sich bewährt, diese zwei Seiten voneinander zu trennen, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Zum Beispiel auch räumlich: Schaffen sie sich einen speziellen Ort (oder eine Ecke in ihrer Wohnung), in der sie sich erlauben, kreativ und unordentlich zu sein.
Dasselbe gilt natürlich auch für die Menschen, mit denen sie zusammenleben: Haben sie einen Partner, der eher chaotisch ist? Einigen sie sich auf wichtige Dinge, bei denen sie beide eine gute Planung einhalten wollen. Und gestehen sie ihrem Partner im Gegenzug einen Ort (oder Hobbys) zu, in dem er nach Belieben spontan und unordentlich sein kann.
Tipp 7: Folgen sie ihrer Berufung – und haben sie Spaß dabei! Natürlich ist das leichter gesagt als getan – und: wer möchte das nicht? Gerade für hochsensible Menschen kann das Ausleben der eigenen Berufung aber oft der einzig richtige Weg sein, um sich vor übermäßigem Stress (und daraus resultierenden Krankheiten) zu schützen. Viele Hochsensible wählen ihren Beruf in der Hoffnung, etwas Sinnvolles und Gutes für die Gesellschaft zu tun. Merken sie, dass sich die erhofften Werte und Ziele mit diesem Beruf (oder in dieser Organisation) nicht verwirklichen lassen, geraten sie schnell in eine persönliche Krise, die mit tiefen Emotionen und Selbstzweifeln einhergeht.
Nicht selten sind berufliche Krisen jedoch auch »hausgemacht«: Hochsensible neigen dazu, der finanziellen Seite ihrer Arbeit weniger Wert beizumessen oder weniger nach persönlichem Ansehen zu streben. Dadurch laufen sie leichter Gefahr, sich unter Wert zu verkaufen, beruflich ausnutzen zu lassen oder sich an der Arbeit aufzureiben.
Stecken sie gerade in einer beruflichen Krise? Überlegen sie, welche beruflichen Alternativen sie haben und begreifen sie die Krise als Chance, etwas zu verändern und ihre »wahre« Berufung zu finden. Lernen sie ihre persönlichen Stärken kennen und scheuen sie sich nicht, diese darzustellen und einen angemessenen (finanziellen) Gegenwert einzufordern. Viele Hochsensible bevorzugen als Berufsform die Selbständigkeit.
Tipp 8: Achten sie auf ihren Körper! Viele Hochsensible neigen dazu, sich anderen anzupassen oder unterzuordnen (z.B. weil sie ein großes Harmoniebedürfnis haben oder weil ihnen gesagt wurde, dass ihre Wahrnehmung falsch sei). Darüber verlernen sie jedoch, die Signale ihres eigenen Körpers zu beachten und richtig zu deuten. Eine permanente Reizeinwirkung und –verarbeitung verlangt einem hochsensiblen Körper einiges ab, weshalb Hochsensible eine vergleichsweise höhere Anfälligkeit für stressbedingte oder neuronale Krankheiten aufweisen.
Auch wenn es viel Disziplin, Anstrengung und Durchhaltevermögen bedeutet: Lernen sie, ihren eigenen Körper zu schätzen und gesund zu halten. Eine ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Bewegungs-, Schlaf- und Entspannungszeiten sind wichtig, um den Körper zu kräftigen und widerstandsfähiger zu machen. Bedenken sie: Nur sie selbst können wissen, wie es ihnen geht und was ihrem Körper gut tut. Achten sie bei ihren hochsensiblen Kindern schon früh auf eine ausgewogene Ernährung und bieten sie ausreichend Entspannungs-, Schlaf- und Bewegungsphasen. Und, zu guter letzt, ebenso wichtig: lachen sie viel
Hier ist Teil 1 und Teil 2 der Serie Hochsensibilität von J. Russau